Gartenbau

Ein Gartenspaziergang

Vom Pausenhof unserer Schule sind es nur wenige Schritte bis zur Pforte, die in den ca. 1900 qm großen Schulgarten führt. Rechts der Pforte befindet sich der Kählerhof, das ursprüngliche, reetgedeckte Bauernhaus aus der Zeit, als die Schule noch ein landwirtschaftliches Anwesen war. Mittlerweile komplett saniert beherbergt es heute die Büros der Schulverwaltung, sowie die Holzwerkstatt und den Gartenbauraum.

Neben diesem Gebäude nimmt man gleich das Anzuchtgewächshaus wahr, das mit blauem Holzständerwerk und großen Glasflächen nicht zu übersehen ist. Dieses Gewächshaus wurde größtenteils von Schülern der siebenten und achten Klassen errichtet. Hier werden im Frühling unzählige Jungpflanzen wie Kopfsalat, Kohlrabi, Zuckermais, Tomaten, Paprika und vieles mehr von den Kindern von Saat herangezogen. Im beheizten Glashaus bleiben sie so lange, bis sie ins Freiland gepflanzt werden dürfen. Unsere Kaninchen leben gleich neben dem Gewächshaus, wo sie von den Kindern gehegt und gepflegt werden. 

So liegt durch eine Buchsbaumhecke vom Kaninchenstall getrennt der Acker auf dem die Fünftklässler ihre ersten Erfahrungen mit Boden und Pflanzen sammeln können. Vom kleinen Radieschen bis zur meterhohen Maispflanze ist dort alles möglich. Emsig sieht man die Kinder bei der Arbeit und groß ist das Staunen wenn sich erste Keimlinge zeigen. Die Ernte ist dann Anlass für Freude und Stolz, wenn man die Früchte seines Tuns mit nachhause nehmen kann. Hinter dem Acker befindet sich ein etwa 60 qm großes  Foliengewächshaus, in dem unsere Tomaten, Paprika und Chili wachsen. Aber auch Salate oder Kohlrabi werden dort verfrüht. Gehen wir weiter in den Schulgarten hinein, stoßen wir auf die Beete der sechsten und siebenten Klassen. Stand in der fünften Klasse noch das gemeinsame Arbeiten im Vordergrund, so ist ab der sechsten Klasse jeder Schüler für ein eigenes Beet verantwortlich. Schon lange haben die Schüler gefragt, wann sie endlich ihre eigenen Beete haben können und jetzt ist es soweit. Mit Elan wird sich an die Arbeit gemacht und sich über jedes Pflänzchen gefreut.

In den Pausen wimmelt es im Garten von Kindern, die täglich vorbeischauen, um zu hacken und zu wässern und ungeduldig die Fortschritte auf ihren Beeten verfolgen. So manches Jahr setzt auch ein unabgesprochener Wettbewerb ein- wer hat wohl die höchsten Sonnenblumen? Neben den Schülerbeeten liegt der Gartenteich. Auch dies war einmal ein Schülerprojekt, das mit viel Liebe umgesetzt wurde. Der Teich ist Heimat für viele Amphibien, die sich gerne von den Schülern beobachten lassen. Unsere Frösche kann man sogar streicheln und in der Nacht gehen die Kröten auf Nacktschneckenjagd. Umrunden wir nun ein Frühbeet, stehen wir auf dem Kompostplatz; für einen Bio-Garten ein ganz wichtiger Ort. Hier sorgen wir dafür, dass der Erde nicht nur etwas entnommen wird, sondern Fruchtbarkeit und Bodenleben nachhaltig gesichert werden. Neben dem Kompostplatz leben in geräumigem Stall und Auslauf unsere Legehennen. Auch hier sorgen die Schülerinnen und Schüler für das Wohlbefinden der Tiere und werden mit frischen Eiern dafür belohnt. Bald werden sich, um die Arbeiten mit Tieren abzurunden, etliche Bienenvölker im Schulgarten einfinden. Die faszinierende Arbeit mit diesen, für den Menschen so unverzichtbaren Bestäubern und Honigproduzenten zieht jeden in seinen Bann.

Warum betreiben wir nun diesen Aufwand, einen Schulgarten zu bewirtschaften? Wir können erleben, dass das althergebrachte Paradigma vom „Wissen zum Handeln“ heute immer weniger trägt und dem heranwachsenden Menschen nicht oder nur bedingt den direkten Bezug vom „Erlernten“ zum praktischen Leben vermittelt. Wissen und Informationen führen immer seltener zu Erkenntnissen, die Verhaltensweisen und Ansichten beeinflussen oder gar ändern können. Das Wissen um den Klimawandel, Artenschwund und anderen Umweltproblematiken erzeugt oft Angst, Gleichgültigkeit oder Zynismus. Eine handlungsorientierte Pädagogik will die Heranwachsenden zu selbstverantwortlichen, handelnden Menschen erziehen. So bietet hier der Gartenbauunterricht eine wirkliche Gelegenheit vom „Handeln zum Wissen“ zu gelangen. Der Schulgarten versteht sich nicht als artifizielles Konstrukt, in dem die Schüler wie in einer Kulisse agieren, sondern als Ort, in dem das Leben in die Schule und die Schule ins Leben gebracht wird. Hier gibt es keine „ausgedachten“ Aufgaben, sondern jede Arbeit ergibt sich aus der notwendigen und sinnhaften Praxis eines lebendigen Gartenbaubetriebes. In diesem Arbeitsstrom erfahren die Schülerinnen und Schüler, wie sie durch ihr Tätigsein die Welt um sie herum verwandeln. Wer würde sich für sein Kind nicht wünschen, dass dies als Lebensmotiv es begleiten möge.

Christian Meyer,
Gartenbaulehrer