Kunst

Der Kunstunterricht in der Oberstufe

An der Freien Waldorfschule Itzehoe wird der Kunst zeitlich und räumlich viel Platz eingeräumt. Neben den Werkstätten für Handarbeit, Kupfertreiben, Schmieden und Holzwerken und bieten die Kunsträume hervorragende Möglichkeiten zum Malen, Zeichnen, Drucken, Plastizieren, Experimentieren und Stein-Bildhauen. Im schulischen Kunstunterricht erlernen die Schülerinnen und Schüler diese vielfältigen, künstlerischen Handwerkstechniken.

Das Gestalten mit den Händen wird hier von der ersten Klasse an gepflegt und gefördert; bis zur 12. Klasse, in der eine zehntägige Kunstreise, vorzugsweise nach Italien stattfindet und in der die Schüler das Bildhauen lernen. Die Waldorfpädagogik hat früh erkannt, dass der regelmäßige Umgang mit künstlerischen und handwerklichen Techniken positiv auf die Gesamtentwicklung des Menschen wirkt und die Schülerinnen und Schüler mit Freude und Selbstwertgefühl erfüllt. Mit jeder Bewegung, die die Hand erlernt, werden die Konzentration und Wahrnehmung gestärkt, so dass sich die Gedanken umso lebendiger und kreativer entfalten können. 

„ An die Stelle pädagogisch künstlerischer Tradition ist ja weitgehend wissenschaftliche Theorie getreten, in der das Wesen der Kunst fehlt. Dabei hemmt die Vorherrschaft der theoretischen Funktionen die geistige Entwicklung und kann zu einem Mangel im Gefühls- und Gemütsleben führen.“ (Adolf Portman, Schweizer Biologe und Anthropologe). An den Waldorfschulen hat der sinnvolle Umgang mit den unterschiedlichen Materialien, den Gesetzmäßigkeiten und Handwerkstechniken im Handarbeits-, Werk- und Kunstunterricht deshalb einen festen Platz im Lehrplan

Im Spannungsfeld zwischen Kunst und Kunsterziehung ist entscheidend, was dem Menschen in seiner Gesamtentwicklung dient, und das sind die unter dem Gesichtspunkt der Qualität ausgewählten künstlerischen Mittel. Der Kunstunterricht der Oberstufe bietet die Möglichkeit, die aufkommenden neuen Gefühle des Jugendlichen im gestalterischen Prozess in bildnerische Gesetzmäßigkeiten zu ordnen. So entsprechen zum Beispiel die Auseinandersetzung mit Hell-dunkel- Zeichnen und die Arbeit an Plastiken am unmittelbarsten den in dieser Zeit frei werdenden Kräften eines 9. Klässlers. Das Modellieren mit Ton bildet deshalb einen Schwerpunkt in dieser Altersstufe. Es bietet den Jugendlichen die wunderbare Erfahrung, mit handwerklichen Fähigkeiten und eigenem Willen aus Ungeformtem etwas Schönes zu erarbeiten. Beim Plastizieren wird besonders deutlich, dass der Weg jedes Gestaltungsprozesses im Einklang mit Fühlen, Wollen und Denken das eigentliche Ziel ist.

Nachdem die Schülerinnen und Schüler bis zur achten Klasse praktisch künstlerisch und handwerklich tätig waren, lernen sie in der Oberstufe, im neuen Fach „Kunstbetrachtung“, die großen Werke der Kunst näher kennen. Dabei steht die ästhetische Urteilsbildung durch Erfassen des Schönen und die Metamorphose des Schönen in den Stilepochen der Kunst- und Architekturgeschichte im Vordergrund.

Kunstbetrachtung, Ausstellungsbesuche, Architektur, Fotografie und künstlerisches Arbeiten mit neuen Medien sind Elemente des Kunstunterrichts, doch die handwerkliche Auseinandersetzung, das Tätigwerden mit den klassischen Mitteln und die Naturbetrachtung bilden die Schwerpunkte des Kunstunterrichts.

Dabei gilt für alle künstlerischen Themen, dass die gestaltenden Schülerinnen und Schüler in ihrem Schaffen von dem Lehrenden positiv bestärkt werden.

Unsere moderne Welt kann von den Jugendlichen als fremd und seelenlos empfunden werden und doch sie stehen sie in der Notwendigkeit, sich mit der Welt in Verbindung zu setzen. Die Ausbildung der künstlerischen Sinne kann hierzu das geeignete Hilfsmittel sein, das sanfte Gesetz, das Freiheit und gleichzeitig Sicherheit bietet.

Als erweckte Leidenschaft kann die Kunst zu Flügeln werden, die lebenslang ein Nest bilden.

Heyke Manthey, Fachlehrerin Kunst und Kunstgeschichte