Handwerken

  • Auf die Erziehung zum Praktischen legt die Waldorfpädagogik besonderen Wert.
  • Das Erwerben von handwerklicher Geschicklichkeit wird einerseits angestrebt, um handwerkliche Erfolge zu erzielen, andererseits, weil Fingergeschicklichkeit im hohen Maße die Elastizität unseres Geistes erhöht und fördert. Das Werken regt unmittelbar auch die Ausbildung der kognitiven Fähigkeiten an.
  • In der Unterstufe können bereits Tätigkeiten stattfinden, die auf das Werken hinführen. Der eigentliche Werkunterricht beginnt jedoch erst ab der fünften Klasse.
  • Nach der vollständigen Ausbildung der Handwurzelknochen ab dem 12. Lebensjahr, also etwa ab der fünften Klasse, werden erste Holzwerkzeuge, wie die Raspel und das Schnitzmesser kennengelernt. Mit dem Beginn des Handwerkunterrichtes in dieser Altersstufe wird es möglich, in eine neue, besonders greifbare Welt einzutauchen, in der neben vielen neuen Eindrücken auch bereits gelerntes aus der Mathematik oder beispielsweise der Geometrie wiederentdeckt und zur Anwendung gebracht werden kann.
  • Das Grundmaterial Holz sowie die neuen Werkzeuge werden auf spielerische Art und Weise kennengelernt und bereits das erste Werkstück vermittelt eine klare Botschaft: mithilfe der eigenen Vorstellungskräfte kann bereits aus einem einzigen Stück Holz erstaunliches erschaffen werden und ein jeder hat sein Arbeitsergebnis wortwörtlich selbst in der Hand.
  • Als Beispiele für erste Arbeitsschritte seien hier die Arbeit mit dem Schnitzmesser, der Raspel und erste Ausstemmarbeiten mit dem Hohlbeitel genannt, die zu vielfältigen Werkstücken wie Löffeln, Pfannenwendern, einfachen Flößen, Kerzenständern oder Salzstreuern und vielem mehr führen können. Oben Rechts einige Zuhause entstandene rauschende „Regenmacher“ aus dem Handwerks-Distanzunterricht mit der fünften Klasse.

Die Ausarbeitung eines Löffels übt das Gespür für den Werkstoff Holz und eine gespannte Fläche.

Ab der sechsten Klasse geht es nun darum, sich auch an komplexere Themen heranzuwagen und über einen längeren Zeitraum an einem Projekt zu arbeiten. Ein solches Projekt beinhaltet gemeinsame Vorüberlegungen und Vorübungen, eine eigene Zielsetzung und schlussendlich die Ausarbeitung des Werkstückes mit geschärften Sinnen.
Hierbei kommen schrittweise weitere Handwerkzeuge wie diverse Hobel, Sägen und Bohrer zur Anwendung. Möglich ist hier zum Beispiel die Ausarbeitung einer individuell geformten Holzschale mit Klüpfel und Hohlbeitel aus Grünholz oder ein Kerzenhalter. Erste bewegliche Spielzeuge können hier ebenso bereits entworfen werden. Einige Kerzenhalter-Ideen sowie die Entstehung einer Schalenform in einer sechsten Klasse:

Als Projekt einer siebten Klasse sei hier beispielhaft die Ausarbeitung eines Recurve-Bogens genannt. Das sogenannte „Tillern“ des Bogenrohlings verlangt dabei besondere Achtsamkeit, um dem Bogen sein volles Potential entlocken zu können.

Volle Konzentration beim gemeinschaftlichen Biegen eines Bogens in der siebten Klasse

Durch die bisher erlernten Grundfertigkeiten in der Holzbearbeitung werden auch in der achten Klasse klassenindividuelle Werkstücke mit steigendem Schwierigkeitsgrad umgesetzt. Auch anspruchsvollere bildhauerische Arbeiten können ein Thema sein. Bei der Ausarbeitung einfacherer klassischer Holzverbindungen liegt der Fokus nun auf der genauen Ausarbeitung. In der achten Klasse kann der Kulissenbau zum Klassenspiel zusätzlich kreative Entfaltungsmöglichkeiten bieten, bei welchem es nun weniger um den letzten Holzschliff als um kreative Ideen und die praxisorientierte, geschickte Umsetzung geht.

Ideenreichtum findet sich in jeder Altersstufe:

Kleine Kästchen als Ergebnis einer Hobel- und Ausstemmübung in der achten Klasse sowie aus der sechsten Klasse ein Beispiel dafür, was geschieht, wenn nach der Fertigstellung der gemeinsamen Aufgabe noch etwas Zeit bleibt, um das Gelernte mit den neuen Werkzeugen in eigenen Ideen zur Anwendung zu bringen.

Lennart Charfreitag