Eigenverantwortung

In diesen Tagen jährt sich der erste „Corona-Fall“ in Deutschland. Zeit für einen persönlichen Rückblick auf Herausforderungen und Lerneinheiten.

Im Frühjahr 2020 wussten die Wenigsten, was eine Pandemie für unseren Alltag bedeuten kann. Es dauerte Wochen vom ersten nachgewiesenen Corona-Fall in einer Fabrik in Stockdorf bei München bis zu dem Zeitpunkt, an dem das Virus ganz Deutschland im Griff hatte. Im März 2020 kam der erste Lockdown. Eine neue Erfahrung für alle. Niemand war darauf vorbereitet. 

Von einem auf den anderen Tag arbeitete ich wöchtentlich 60 Stunden im Home-Office. Ich verkaufe im Internet Blumen und Stauden, und zahlreiche Menschen hatten mit einem Mal Zeit im Überfluss für ihren Garten. So positiv und sinnvoll diese Arbeit auch ist – sie ließ mir keinen Raum und keine Energie zur Unterstützung meiner beiden Söhne im Home-Schooling. Und dennoch hat mein Großer seinen Ersten Allgemeinbildenden Schulabschlusses (ESA) absolviert – mit Hilfe der Oberstufen-Pädagogen, denen an dieser Stelle mein erster Dank gilt.

Schwieriger wurde es mit meinem jüngeren Sohn. Unerfahren wie wir mit Lockdowns waren, erwarteten wir Home-Schooling von morgens 8 Uhr bis mittags 13 Uhr – möglichst mit Morgenspruch, rhythmischem Teil, Epochen- und Fachunterricht. Schließlich ist mein Sohn in der 8. Klasse und bedarf besonders viel Aufmerksamkeit im letzten Jahr der Klassenlehrerzeit. Außerdem sollte er seine Halbjahresarbeit anfertigen. Mit diesen Erwartungen konnte ich nur enttäuscht werden. Schuld an den handfesten Familienproblemen war aus meiner Sicht natürlich die Klassenlehrerin. Ich dachte nicht einen Moment darüber nach, welchen technischen und pädagogischen Herausforderungen sie sich gegenüber sah.

Der Sommer brachte eine kurze Phase der Entspannung in den „Corona-Alltag“ meiner Kleinfamilie und erlaubte wieder Treffen mit Freunden. Ende August / Anfang September kündigte sich am Horizont bereits die zweite „Corona-Welle“ an und mit ihr womöglich ein zweiter Lockdown. Inzwischen besuchte mein Großer das Berufsbildungszentrum. Diesmal wollten wir uns auf den Lockdown vorbereiten und richteten für das Home-Schooling zwei weitere Arbeitsplätze mit Hardware ein.

Die Schulen sollten diesmal so lange wie eben möglich geöffnet bleiben. Gleichzeitig wurden die Hygieneregeln mehr und mehr verschärft. Ende November stellten die Schüler:innen der 8. Klasse ihre Halbjahresarbeiten vor. Obwohl die Präsentationen erstmals in der Geschichte unserer Schule ohne Eltern und ohne Zuschauer stattfinden mussten, verlieh die Klassenlehrerin ihnen einen würdigen, festlichen Rahmen. Die Vorträge wurden gefilmt und später den Eltern als Video zur Verfügung gestellt.

Noch vor Weihnachten probte die Berufsschule das „Lernen auf Distanz“, was meinem ältesten Sohn und mir die Möglichkeit gab, die letzten technischen Hürden des immer wahrscheinlicher werdenden Online-Unterrichtes zu überwinden. Anschließend genossen wir entspannt die Weihnachtsferien und erwarteten den Distanzunterricht für alle.

Diesmal lief alles besser. Vom ersten Distanz-Schultag an gab es tägliche Video-Meetings mit Lehrer:innen der Waldorfschule und der Berufsschule. Außerdem gab es regelmäßig Arbeitsmaterial und Hausaufgaben. Dafür, dass diesmal alles so wunderbar klappt, danke ich dem gesamten Kollegium.

Eines haben meine beiden Söhne und ich mit dem ersten Lockdown besonders gelernt: Eigenverantwortung. Wenn sich die Umstände von heute auf morgen ändern und die alten Strukturen und Prozesse plötzlich nicht mehr greifen, müssen wir zusammenhalten und jeder an seinem Platz und mit seinem Talent seinen persönlichen Beitrag leisten. Dann wird alles gut. 

Bleibt gesund!

Kerstin Babarski

Bild: Beckmerhagen