Vom Umgang mit dem Internet

Einleitung

Die Vorträge von Herrn Buermann haben in der letzten Woche zu zahlreichen hitzigen Debatten in der Schule und daheim mit unseren Kindern geführt. Auf einige technische und wirtschaftliche Aspekte der Internet-Nutzung möchte ich an dieser Stelle etwas ausführlicher eingehen. Mir ist sehr daran gelegen, dass wir und unsere Kinder die Werkzeuge, mit denen wir im Internet unterwegs sind, beherrschen, wozu an erster Stelle das Kennen der Risiken und der zugehörigen Vermeidungsstrategien gehören.

Schließlich geht es um unsere Menschenrechte, um die unantastbare Würde des Menschen, die von aufkeimenden Überwachungsstaaten, von globalen Wirtschaftsunternehmen und anderen Organisationen auf eine harte Probe gestellt wird.

Sicherheit im World Wide Web?

Tim Berners-Lee at a Podcast Interview
Uldis Bojārs [CC BY-SA 2.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0)], via Wikimedia Commons

Das World Wide Web wurde 1991 von Tim Berners-Lee zum einfachen und schnellen Austausch von Forschungsarbeiten mit Kollegen an Universitäten rund um unseren Globus erfunden. Dies war bis dahin aufgrund inkompatibler Computersysteme und Datei-formate nicht möglich. Die Wissenschaftler vertrauten einander, weshalb kommerzielle und viele sicherheitsrelevante Aspekte nicht in die technischen Konzepte von HTTP und HTML Eingang fanden.

Sicherheitsfunktionen, wie die Verschlüsselung, die Zwei-Faktoren-Autorisierung und aktuell die automa-
tisierte Identifikation von Fake News, wurden erst mit der kommerziellen und kriminellen Nutzung des Internets erforderlich und können auf Sicht hin nur verzweifelte Versuche bleiben, das World Wide Web etwas sicherer zu machen. Es ist und bleibt ein Katz-und-Maus-Spiel, bei dem Menschen und Unternehmen mit unlauteren Absichten den Sicherheitsexperten immer einen Schritt voraus sind.

Merken Sie sich eines: Hundertprozentige Sicherheit im Internet gibt es nicht. Und wer Ihnen diese dennoch andienen möchte, ist ein Scharlatan.

Oft wird das Thema „Sicherheit“ nur vorgeschoben, um uns von den Überwachungspraktiken von Staaten, Konzernen und Verbänden abzulenken. Wir alle wollen sicher leben und uns sicher im Internet bewegen. Dem stehen unterschiedlichste Interessengruppen gegenüber, die an der Steuerung unseres Verhaltens beim Kauf von Waren und Dienstleistungen, beim Ausfüllen von Wahlzetteln und am Schüren von Ängsten vor dem Fremden interessiert sind.

Geschäftsmodelle im Internet

Jedes Unternehmen muss seine Mitarbeiter und die Infrastruktur finanzieren und seinen Investoren kurz- und mittelfristig Gewinne ausschütten.

Natürlich gibt es auch bedeutende Spenden-finanzierte Projekte wie Wikipedia, LibreOffice, Firefox, Linux, Apache und MySQL, aber meistens gehören große Wirtschaftsunternehmen zu deren Sponsoren, was ihnen die Möglichkeit zur Einflussnahme auf das jeweilige Projekt oder zur Ausbeutung der Technik gibt.

Bietet ein Unternehmen einen Dienst kostenlos an, wie z. B. Facebook mit Instagram und WhatsApp oder Microsoft mit Skype, LinkedIn und Office 365, so können wir sicher sein, dass wir mit unseren persönlichen Daten und mit den Erkenntnissen über unser Verhalten indirekt bezahlen. Während Microsoft und Apple die Kundendaten anscheinend ausschließlich für ihre eigenen Dienste verwenden, basieren die Geschäftsmodelle von Google, Facebook & Co. primär auf der Vermarktung unserer Profile im Rahmen von Werbekampagnen.

Internet-Startups werden in der Regel von s.g. Angel-Investoren (engl. Engel) finanziert, um sie im Idealfall nach spätestens drei Jahren mit großem Gewinn in die nächste Finanzierungsrunde zu entlassen, bevor sie danach mit sattem Gewinn an die großen Platzhirsche verkauft werden. Der Unternehmenswert besteht dabei nur selten in einer außergewöhnlichen technischen Errungenschaft des Startups. Viel lukrativer ist die Veräußerung der über die Jahre gesammelten Benutzerdaten! Wenn uns heute ein unbekanntes Unternehmen verspricht, unsere Profile nicht zu veräußern, dann gilt dieses Versprechen nur für den Augenblick. Wer morgen oder in 10 Jahren meine Daten erhält, kann mir heute niemand sagen. Dies gilt besonders für den Fall, dass das Startup eines Tages wieder schließt.

Mein Profil im Netz ist Gold wert

Unsere Persönlichkeitsprofile sind für Werbeagenturen äußerst wertvoll, da sie uns so zielgerichtete Informationen, die nicht immer als solche zu erkennen sind, zukommen lassen können. Werbeagenturen helfen nicht nur bei der Vermarktung von Waren und Dienstleistungen, sondern auch bei politischen Wahlkämpfen und bei der Beeinflussung der kollektiven Wahrnehmung. Die jüngsten Wahlen in den USA und die Brexit-Abstimmung lassen grüßen.

Dabei sagt der einzelne Chat, die einzelne Email, der einzelne Bericht oder der einzelne Kauf eines Artikels nicht ansatzweise so viel über uns aus, wie die langfristige Beobachtung unseres Verhaltens im Netz. Daher ist die Werbung von Chat-Anbietern mit einer Ende-zu-Ende-Verschlüsselung unserer Nachrichten nur Augenwischerei. Konsolidiert man die über Jahre hinweg gesammelten Benutzerprofile aus unterschiedlichen Quellen, beispielsweise von Amazon, Spiegel Online, Instagram, WhatsApp, Payback, Wetter Online, Spotify und etlichen Spiele-Herstellern, entstehen ungeahnt objektive Bilder einzelner Personen.

Nicht wir entscheiden, was Unternehmen über uns wissen, sondern unser Gegenüber, das jahrelang jeden Mausklick, jeden Tastendruck, jede URL, jeden Aufenthaltsort, jeden Suchbegriff, jedes gelesene oder ungelesene Buch, jeden Musiktitel, jeden Film, jeden Einkauf im Supermarkt und jede unserer Beziehungen zu Freunden und Bekannten protokolliert. Mit der Einführung von Gesichtserkennung an öffentlichen Plätzen gesellt sich noch unser Aufenthaltsort in diesen Reigen.

Und wir? Wir sind in unserer Naivität um die Inhalte einer Email und einer Chat-Nachricht besorgt.

Browser

Wenn wir mit unserem Browser eine Webseite aufrufen, werden i.d.R. nicht nur die sichtbaren Informationen plus gewünschter oder unerwünschter Werbung übertragen, sondern es gelangen auch unsichtbare Scripte auf unser Gerät, die uns identifizieren und unser Verhalten analysieren sollen und die gesammelten Erkenntnisse auf dem schnellsten Wege an einen Server im Netz übermitteln und / oder in s.

g. Cookies auf unserem Gerät zwischenspeichern. Bestenfalls wollen Betreiber von Websites auf diese Weise nur feststellen, wie wir auf sie aufmerksam wurden, welche Seiten wir als nächstes besuchten und wann wir deren Website verließen. Damit verfolgen sie das Ziel der Website- und Suchmaschinen-Optimierung.

Häufig benutzt eine Webseite auch nur eine schöne Schrift oder eine s.g. Code-Bibliothek, die bei jedem Aufruf der Webseite von Google, Yahoo!, Microsoft oder ähnlichen Anbietern geladen werden, wodurch diese gleich wieder etwas mehr über unser Verhalten im Netz erfahren.

Ältere Browser sind sehr geschwätzig, ohne dass der Anwender es mitbekommt. Gerade im Zusammenhang mit Bannerwerbung und den Facebook-Like-Buttons werden Informationen an wildfremde Server im Netz gesendet. Man nennt dieses Verhalten auch „Tracking“. Die neuesten Versionen von Safari und Edge unterbinden i.d.R. diese Funktion. Bei anderen Browsern oder älteren Versionen hilft die Installation der Browser-Erweiterung „Disconnect“. Auf Mobilgeräten unterbindet Firefox Klar das Anzeigen von Werbung und das Tracking.

Wollen Sie es den Datensammlern etwas schwerer machen, dann löschen Sie regelmäßig die Cookies Ihres Browsers. Entsprechende Funktionen finden Sie in den Browser-Einstellungen. Bei fast allen Desktop-Browsern können Sie in den Einstellungen oder mithilfe einer Erweiterung beim Beenden des Programms Cookies automatisch löschen. Microsoft Edge bietet in den Einstellungen unter „Datenschutz und Sicherheit -> Browserdaten löschen“ einen Schalter zum Löschen von Browserverlauf, Cookies u.ä. nach jeder Sitzung.

Noch einfacher geht es, wenn Sie mit Safari oder Edge im „Privaten Modus“ bzw. in Chrome im „Inkognitomodus“ surfen. Dann werden weder Cookies noch Browser-Verlauf auf dem Gerät gespeichert.

Fast jeder Browser bietet s.g. Plug-Ins oder Erweiterungen an, die Werbung unterdrücken – s.g. AdBlocker. Nutzen Sie diese und stellen Sie sich darauf ein, dass Sie danach weniger unerwünschte Nachrichten von wildfremden Leuten erhalten.

Speicherung von Daten im Web

Häufig verwenden wir mehrere Internet-fähige Geräte, z.B. einen Desktop oder Laptop, ein Tablet und ein Smartphone. Die Synchronisation von Lesezeichen, Favoriten, Verläufen, Kontakten und Kalendern ist eine wunderbare Funktion, setzt allerdings die Speicherung dieser Daten auf einem Webserver des jeweiligen Softwareherstellers voraus. Dabei ist es egal, ob wir Safari, Edge, Chrome, Opera oder Firefox nutzen. Wollen Sie auf die Synchronisation nicht verzichten, müssen Sie wissen, dass die Daten irgendwo zentral gespeichert werden.

Alternativen zu Google, Bing und Yahoo!

Google wirbt mit individualisierten Suchergebnissen und meint das Anzeigen von Informationen und Werbung, die aus Sicht von Google und Googles Geschäftspartnern für uns optimal sind. Denken Sie daran: Google verdient sein Geld mit Werbung. Da alle Suchmaschinen kostenlos genutzt werden können, verdienen alle mehr oder minder erfolgreich ihr Geld mit Werbung – auch die hier genannten Alternativen: Duckduck.go, Startpage, Qwant, Metager, Exalead, Unbubble oder Searx. Jede dieser Suchmaschinen hat ihre Vor- und Nachteile. Der Vorteil der Alternativen besteht meistens in der parallelen Nutzung mehrerer etablierter Suchmaschinen und in der weitestgehenden Verschleierung unserer Identitäten.

Suchmaschinen können uns zwar bei der Entscheidung für eine bestimmte Website beeinflussen. Was dann der Betreiber der jeweils geöffneten Webseite mit den über uns gesammelten Erkenntnissen macht, liegt außerhalb des Einflussbereichs der Suchmaschine.

Zum Schluss

Denken Sie stets daran: Im Internet sind Sie nie alleine. Sie werden auf Schritt und Tritt überwacht. Alles was wir im Internet tun, wird verwendet werden – ob zu unserem Wohl oder zu unserem Nachteil, das entscheiden meistens nicht wir.

Viele hilfreiche Tipps rund um die Verwendung des Internets finden Eltern, Schüler und Pädagogen auch auf klicksafe.de.

Ich wünsche Ihnen viel Freude bei der kreativen Nutzung des World Wide Webs.

Jürgen Beckmerhagen