13. Science Summer School

Es ist heiß, sehr heiß als ich gegen vier Uhr nachmittags auf dem Besucherparkplatz vor dem IZET  mein Auto abstelle. Vormittags in der Schule Hitzefrei. Und doch warten vor dem Eingang des Itzehoer Innovationszentrums zahlreiche Jugendliche, die sich in die Teilnehmerliste der 13. Science Summer School eintragen wollen. Ich bin überrascht. AVS, KKS, SSG, Waldorf. Jugendliche wollen sich für naturwissenschaftliche Berufe begeistern. Die Oberstufenschüler und -schülerinnen kommen von allen Itzehoer Schulen. Sechs Schüler*innen unserer 10. Klasse begegnen mir hier.

Prof. Dr. Ralf Thiericke begrüßt die rund 70 jugendlichen Teilnehmer der 13. Science Summer School und stellt kurz das IZET und einige der hier beheimateten Unternehmen vor. Thiericke ist Professor an Universitäten in Kiel und Jena und Geschäftsführer des Itzehoer Innovationszentrums.

Am ersten Tag geht es um Software-Entwicklung. Mein Metier. Ich will hören, was die Vertreter von Startups unseren Schüler*innen erzählen. Den Schwerpunkt bildet heute Nachmittag die Programmierung von Spielen und E-Sports.

Ein „Freelancer“ schildert seinen beruflichen Werdegang

Zuerst tritt ein junger Mann auf. Nerd-T-Shirt. Nerd-Frisur. Nerd-Sprache. Er studierte Informatik an der Uni-Hamburg. Nach dem Bachelor-Studium verließ er die Uni, um selbständig Spiele zu programmieren. Dem ersten Spiel folgte das Zweite. Irgendwann musste er erkennen, dass er von zwei Spiele-Apps allein nicht leben kann. Deshalb bot er als „Freelancer“ seine Dienste für die Spieleentwicklung anderen Unternehmen an und betrat dabei einen heiß umkämpften globalen Markt von Programmierern. € 500 pro Monat würde man ihm oft bieten. Vielen nimmt diese Geschichte die Hoffnung auf das schnelle Geld mit Computerspielen.

Professioneller präsentieren sich die beiden nächsten Software-Firmen an diesem Abend. Kleine Teams von vier, fünf Männern und Frauen. Auch sie entwickeln Spiele und stellen die große Bandbreite möglicher Berufe in diesem Bereich vor. Sie arbeiten in einem Team mit sehr unterschiedlichen Qualifikationen und verfolgen ein gemeinsames Ziel.

Teamarbeit, gute Kommunikation und eine gemeinsame Vision führt auch Manfred Kowalewski als Erfolgsfaktoren der Volks- und Raiffeisenbank Itzehoe an. Er eröffnet den Reigen der Firmenpräsentationen am Mittwochnachmittag. Vor wenigen Jahren hatte Manfred Kowalewski den ehemaligen Google-Deutschland-Verkaufsleiter Holger Meyer in die Bank geholt und damit frischen Wind in die 233 Mitarbeiter*innen der Bank gebracht. 26 Auszubildende aus unterschiedlichsten Berufen zählen zum VReG-Team. Die Hierarchien in der Volksbank scheinen sehr flach zu sein. Vorstand, Angestellte und Auszubildende arbeiten auf Augenhöhe. Ein Auszubildender im ersten Lehrjahr hätte das Team geleitet, das den Dresscode der Bank definierte. Manfred Kowalewski gibt sich alle Mühe, das Bild vom verstaubten Bankkaufmann in ein neues Licht zu rücken. Jung und dynamisch ist die Bank von heute. Und es arbeiten dort nicht nur Bankkaufleute, sondern auch IT-Spezialisten, Datenbank-Analysten, Marketingspezialisten und viele mehr.

Zweiter Redner am Mittwochnachmittag ist Christian Reymers, der das Unternehmen Antenna Technology Center (ATC) vorstellt. ATC konzipiert und testet die inzwischen für Laien fast unüberschaubare Bandbreite an drahtlosen Sendern und Empfängern in Autos. Man merkt Reymers seine Leidenschaft für die Physik an. Hervorragend erklärt er den Aufbau und die Funktionsweise einer Dipolantenne. Selbst ich verstehe endlich, wie elektromagnetische Wellen gesendet und empfangen werden – nicht nur im verhältnismäßig kleinen Auto, sondern rund um den Globus und durch das All. Es macht Spaß, Experten zuzuhören, die ihr Betätigungsfeld so anschaulich und verständlich beschreiben können.

Den Vogel schießt an diesem Abend aber Dr. Daniela Werlich von Customcells Itzehoe ab. Sie ist Chemikerin – und nicht nur das: sie ist begeisterte Chemikerin. Ihr sieht man die Freude an ihrer Arbeit an. Offensichtlich sitzen Chemiker nicht nur im Labor und schnüffeln an Reagenzgläsern. Ihre Arbeit ist richtig spannend. Kurz beschreibt sie ihren beruflichen Werdegang: Bachelor, Master, Promotion. Beruf. „80 % der Chemiker*innen promovieren“, erklärt Daniela Werlich. Sie legt wunderbar den Aufbau und die Funktionsweise von Lithium-Ionen-Akkus dar. Es scheint alles so einfach. Fast möchte ich meinen, jeder könne sich mit ein paar Handgriffen und dem richtigen Material seinen eigenen Akku bauen. Etwas braune Pampe mit Lithium-Ionen, ein Plastikstreifen, durch den die Ionen hindurch sollen, Anode, Kathode. Fertig.

Physik und Chemie können so wunderbar einfach sein.

Den Abschluss der Science Summer School bildet der Auftritt von Mathe-Rapper „dorFuchs“ (sächsisch: „Der Fuchs“). Der junge Mann aus Sachsen schildert wie er 2011 als Elftklässler ein Musikvideo aufnehmen wollte aber keinen Text wusste. Da nahm er sich eine mathematische Formel vor, mit der er sich gerade befasste: die p-q-Formel. Der Song beschreibt die Anwendung und Herleitung der p-q-Formel zum Lösen quadratischer Gleichungen. Das Video zählt mit über 2 Millionen Aufrufen zu den YouTube-Hits. 

„Ich hab’ die Formel für’s Volumen einer Kugel dabei, V = 4/3 π r³“ So beginnt ein weiteres Lied. Mir geht manches zu schnell, aber den Schülerinnen und Schülern gefällt’s. Weiter geht es mit dem Addieren von Brüchen mit vedischer Mathematik. Ich kann wieder folgen und will mir das Video zuhause noch einmal anschauen.

Eine Schülerin und zwei Schüler dürfen „dorFuchs“ interviewen. Einer prahlt mit der technischen Ausrüstung seiner Schule: „Whiteboards, Tablets, MacBooks …“ und will wissen, was „dorFuchs“, der inzwischen in Mathematik promoviert, von der modernen Technik im Klassenraum hält. „Nicht viel“. Er liebt es, schnell mal eine Formel mit Kreide auf die Tafel zu schreiben, wegzuwischen, zu verändern. „Auf das Medium kommt es nicht an. Die soziale Beziehung zu Deinem Lehrer zählt.“, sagt „dorFuchs“ und rapped mit einem Lachen im Gesicht die nächste Mathe-Formel.

Eine tolle Veranstaltung vom IZET, die u.a. zeigt, dass auch Mathematiker, Physiker, Chemiker und Informatiker viel Spaß in ihrem Beruf haben können.

Jürgen Beckmerhagen