Abschied

Seit Wochen und Monaten richten sich meine Gedanken nur noch auf diesen einen Tag: den 30. September. Bis dahin würde ich als Berufstätiger im Dienst der Schule stehen. Danach beginnt der Ruhestand. Mal schauen, wie viel Ruhe mir dann wirklich bleibt.

Einmal empfahl mir ein Lehrer, ich solle nur dem meine Aufmerksamkeit schenken, was wachsen soll. Alles andere solle ich ignorieren. Dann würde es über kurz oder lang von alleine verkümmern. Seither konzentriere ich mich auf das Gute in den Menschen und fand es im Laufe meines Lebens immer dort, wo ich mich gerade aufhielt – ob in Russland, den USA, Kanada, Peru, Skandinavien, Italien, Frankreich, Malta, Großbritannien, Polen, Indien, Nepal. Ich kann die Länder nicht alle aufzählen.

Nach dem Verkauf meiner Software-Firma und der Erfüllung der damit verbundenen Verträge arbeitete ich von meinem Homeoffice aus nur noch für einen Kunden in Russland und einen in den USA. Die Programmierer saßen in Pune, Indien, und in Greifswald. Trotz täglich mehrerer Videokonferenzen fehlten mir die persönlichen Begegnungen. Der Tratsch in der Küche. Das gemeinsame Mittagessen. Die Unternehmungen am Abend.

Da kam 2013 das Angebot der Schule wie gerufen. Dazu noch die Aussicht auf ein völlig neues Aufgabengebiet in einer wirtschaftlich schwierigen Situation. Das allumfassende Thema hieß „Bildung“ an einer Schule in freier Trägerschaft. Ganz neue Ziele und ganz andere Menschen: Schülerinnen und Schüler, Eltern, Pädagogen, Hausmeister, Beamte, Ehrenamtliche und und und. Meine Begeisterung für neue Herausforderungen trieb schon so manchen zur Verzweiflung. Diesmal meine Familie. „Papa wird Geschäftsführer. Oh je.“

Aber ich habe gefunden, wonach ich gesucht hatte: viele liebe Menschen in und außerhalb der Schule. Manchmal musste ich etwas länger nach dem guten Kern suchen. Das wurden mir die liebsten Menschen. Ich nahm mir gerne Zeit für jeden von ihnen. Egal weshalb er oder sie das Gespräch suchten.

Und daran wird auch der Ruhestand nichts ändern. Ich will dem Guten in jedem Menschen weiter nachspüren, ihm schreibend und fotografierend meine Aufmerksamkeit schenken und es so wachsen lassen.

Ich bedanke mich bei allen Kolleginnen und Kollegen, Eltern, Schülerinnen und Schülern für jede Begegnung und jeden Moment mit Ihnen und Euch. Besonders bedanke ich mich bei den Menschen, die mir in schweren Situationen den Rücken stärkten. Ich war nie allein.

Mein Dank gilt auch den Schulleitern im Kreis, ganz besonders dem Schulrat, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Amt für Schule, im Gesundheitsamt, im Bauamt und im Veterinäramt, im Bildungsministerium, in den Versicherungen, in der Landesarbeitsgemeinschaft und im Bund der Freien Waldorfschulen und all den hier Unerwähnten.

Ich bin mir sicher, dass Sie alle meiner Nachfolgerin, Frau Engel, die gleiche Unterstützung zukommen lassen. Dafür danke ich Ihnen. Frau Engel wünsche ich viel Freude in ihrer neuen Rolle und stets eine glückliche Hand.

Jürgen Beckmerhagen

Bild: Simon Beckmerhagen