Die Physikanten

Wie viel Spaß wir beim Spiel mit unbelebten Elementen und mit den auf sie wirkenden und von ihnen ausgehenden Naturkräften haben können, führten am Dienstagmorgen zwei Herren, die der Gruppe der Physikanten angehören, zur Freude aller Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer humorvoll vor.

Wasser schleuderte im Glas durch die Luft. Finger, Kamm und „Bassgitarre“ modifizierten einen Laserstrahl und ließen wilde Rockmusik ertönen. Musik suchte sich den Weg von einem MP3-Player durch die Körper von drei Freiwilligen zu einem Verstärker. Negativ geladene Teilchen verwandelten schnöde Frischhaltefolie und ein Plastikrohr in Zauberfolie und Zauberstab. Im nächsten Moment suchten sich positiv geladene Teilchen den Weg durch einen Freiwilligen hin zu einem auf seinem Helm befestigten Rotor und versetzten diesen in Drehung. Ein unscheinbares Feuer verwandelte sich durch Luftverwirbelung in eine riesige Feuersäule. Luftdruck schickte wunderbare Rauchringe durch den Raum.

Den Höhepunkt der Präsentation bildete die Veranschaulichung der Kräfte, die beim Wechsel von Aggregatszuständen (fest, flüssig, gasförmig) freiwerden. Flüssiger Stickstoff wurde in eine Plastikflasche gefüllt und in einen Stahlbehälter getaucht. Der Stickstoff erwärmte sich, wandelte sich in Gas, dessen Teilchen 650-mal mehr Raum als im flüssigen Zustand beanspruchen, und verursachte schließlich eine ohrenbetäubende Explosion.

Das i-Tüpfelchen der Show bildete die Vorführung einer Sinnestäuschung. Die Zuschauer waren aufgerufen, den Blick auf den Mittelpunkt einer sich drehenden Scheibe, auf die ein Spiralmuster gedruckt war, zu fokussieren. In dem Moment, in dem die Spiralscheibe angehalten und der Blick auf den Physikanten frei wurde, erschien dessen Antlitz völlig verzerrt. Vielleicht ein wunderbares Sinnbild dafür, wie schnell eine Vielzahl scheinbar zusammenhangloser Informationen ein völlig verzerrtes Bild von Leben und Natur in uns entstehen lassen.

Einerseits hoffe ich natürlich, dass die Vorführung den Einen oder die Andere auf „dumme Gedanken“ gebracht und die Neugier neu entfacht hat. Andererseits hoffe ich, dass Ihre Liebsten es nicht so übertreiben wie ich und im zarten Alter von sechs Jahren die Spiegelreflexkamera der Eltern oder mit zwölf Jahren das gute alte Röhrenradio in die jeweiligen Einzelteile zerlegen. Die Kamera war anschließend in ihrer Funktionsweise stark eingeschränkt. Mit dem Radio konnte ich hinterher immerhin Radio Canada und Radio Eriwan hören, was mich wieder auf neue Gedanken brachte.

Jürgen Beckmerhagen

Bilder: Jürgen Beckmerhagen