Erklärung in Sachen St.-Michaeli-Fest und zur öffentlichen Kritik daran

Itzehoe, 20. Oktober 2023

Die Freie Waldorfschule Itzehoe steht seit Anfang Oktober in der öffentlichen und behördlichen Kritik bezüglich der Art und Weise, wie wir das diesjährige St.-Michaeli-Fest durchgeführt haben. Nach einer ersten Erklärung möchten wir uns heute in der gebotenen Tiefe wieder zu den Vorgängen äußern.

Was ist passiert?

Wie jedes Jahr wurde auch in diesem Jahr Ende September das St.-Michaeli-Fest an der Waldorfschule Itzehoe begangen. Zusammen mit den traditionellen Festen des Heiligen Martin am 11. November und des Heiligen Nikolaus am 6. Dezember bildet das Michaeli-Fest eine Dreiheit, die uns auf Weihnachten zuführt. Der Heilige Michael steht hierbei für den Mut, der Heilige Martin für das Mitgefühl und der Heilige Nikolaus für das Gewissen.

Im Rahmen dessen hat wie immer eine neunte Klasse in Vorbereitung einen Pappmaché-Drachen erstellt und kreativ gestaltet. Dieser wurde im Rahmen des Festes zunächst ausgestellt und dann traditionsgemäß von Schüler:innen der fünften Klasse mit Pfeil und Bogen in Brand geschossen. Im Anschluss an das Fest wurde in Text und Bild wie jedes Jahr über das Ereignis auf unserer Website öffentlich berichtet. Die auf diesem Wege für die Öffentlichkeit sichtbaren Handlungen – dargestellt vor allem durch Fotos zu der äußeren Gestaltung des diesjährigen Drachens – führten in der Folge seit Anfang Oktober zu vielfältiger Kritik. Insbesondere die queere Community in unserer Gesellschaft fühlte sich durch die Tatsache verletzt, dass wir diesen mit queeren Symbolen und Farben geschmückten Drachen (als einem Symbol des Bösen) dann auch noch verbrannt haben.

Wie konnte es zu dieser Fehlentwicklung kommen?

Es war bisher Tradition an unserer Schule, dass Schüler:innen den Drachen mit Themen schmücken, welche sie besonders bewegen. In diesem Jahr waren dies Fragestellungen zum queeren Leben und dem Miteinander in einer pluralen Gesellschaft, ein Ideal, welchem wir uns als Schule verpflichtet sehen. Es begann alles mit der Frage der Schüler:innen, warum der Drache denn eigentlich immer männlich sein müsse. Sie hatten gerade den Barbie-Film gesehen und Fragen nach Repräsentation standen im Raum. Zu dem Wunsch nach der Repräsentation von Frauen, Queerness und nicht-heteronormativer Lebensführung kamen auch noch die Wünsche und Ideen von Fußballfans aus der Klasse, ihre Lieblingsvereine zu integrieren. Wenn wir nun die Aktion im Rückblick betrachten, verstehen wir die Kritik daran zutiefst. Es ist eine außerordentliche Unüberlegtheit: Die Repräsentation von Themen der Schüler:innen hat im Kontext einer Drachenverbrennung und damit des “Bösen” nichts zu suchen!

Diese Verbindung hätte unbedingt pädagogisch-didaktisch reflektiert und präsent sein müssen. Das Kollegium der Schule insgesamt hat zudem dieses Fest als lange durchgeführten Brauch aus der Vergangenheit nicht kritisch hinterfragt. Die Erregung des Umfelds über diese unsere Unterlassung in der Vorbereitung ist für uns nachvollziehbar. Der Drachen hätte nicht verbrannt werden dürfen.

Ausdrücklich möchten wir darauf hinweisen, dass diese Aktion nicht aus einer an unserer Schule vorherrschenden Haltung oder Werten entstanden ist, sondern aus grober Fahrlässigkeit. Wir sehen unseren gravierenden Fehler und bitten aufrichtig bei allen um Entschuldigung!

Wie gehen wir in der Zukunft damit um?

Die unreflektierte Ausübung von Traditionen entspricht in keiner Weise den Idealen einer diversen, liberalen und offenen Gesellschaft. Als Lehreinrichtung trägt die Schule hierbei eine besondere Verantwortung. Dieser wurde bei besagtem Vorfall seitens unserer Schule nicht ausreichend entsprochen. Das macht eine kritische Aufarbeitung für uns zwingend erforderlich, auch über das St.-Michaeli-Fest hinaus. Historische Bräuche, ihre Einordnung in die heutige Zeit, die Vorbereitung und der Erarbeitungsprozess der dafür zu nützenden Symbole müssen – von Lehrer:innen wie Schüler:innen – überprüft werden, um eine Wiederholung dieses oder ähnlicher Vorfälle auszuschließen.

Freie Waldorfschule Itzehoe
Die Geschäftsführung, der Vorstand, die Pädagogische Schulleitung und das Kollegium