Grundstein gelegt

Freitagmorgen. Es regnet in Strömen. Das Fundament des neuen Kindergarten-Gebäudes gleicht einer Seenlandschaft. Sollte die für heute geplante Grundsteinlegung ins Wasser fallen? Um 11:00 Uhr brechen die Wolken auf. Sonne – so schön hat sie schon lange nicht mehr geschienen. In diesem Moment glaubt selbst der bodenständigste Bauarbeiter an ein Wunder. Die Gesichter der Kindergartenleiterin, Architektinnen und des Hochbauers hellen auf. Schnell schiebt der Hausmeister das Regenwasser von der Sohlplatte.

Wir stehen auf der 360 qm großen Sohle rund um eine Aussparung von 30 x 30 cm. Hier hinein soll gleich der Grundstein gelegt werden: ein kupferner Pentagondodekaeder.

Wenige Minuten später treffen die ersten Gäste ein. Unter ihnen Friedhelm Schirlinger – Urgestein der Waldorfbewegung am Kählerhof und langjähriges Mitglied des Fördervereins. Tochter, Enkelin und Urenkelin der letzten Kähler-Familie kommen und stehen an der Stelle, wo einst der Schweinestall war. Ihnen folgen die Kindergartenkinder und ihre Eltern. Vor ihnen ein Tisch mit grünem Tuch. Darauf der wunderschöne Grundstein, Edelsteine, Kristalle, Bilder, Pläne, eine Münze, bunte Wimpel und eine Rose.

Kirsten Marold, die Kindergartenleiterin, begrüßt Eltern und Kinder ganz feierlich und rückt allen die Bedeutung dieses Moments ins Bewusstsein. Hier entsteht etwas Neues, auf das wir uns alle sehr freuen. Zugleich legen wir in unser Fundament einen Grundstein, der nachfolgenden Generation in hundert, zweihundert oder noch mehr Jahren etwas über uns verraten soll.

Frau Prell-Leppen, die Architektin, legt ein Bild vom alten Schweinestall und einen Plan des neuen Gebäudes in das kupferne Gefäß. Es folgen eine 1-Euro-Münze und ein Kristall – ein Edelstein. Danach legt Christiane Wunner, Mutter und Vorstandsmitglied des Kindergartens, ein langes Band mit unzähligen kleinen Wimpeln in den Grundstein. Jeder Wimpel trägt Wünsche und Namen von Kindern. Auf einem von ihnen prangt das Schwarzweiß-Bild von Opa Johannes Jacob Kähler mit Pferd „Käferchen“, dem Lieblingspferd der Familie Kähler. Schließlich wird auch die Rose in den Grundstein gelegt – ein Gruß der Eltern.

Die Kinder singen das Lied von den fleißigen Handwerkern und rufen uns ins Bewusstsein, dass es der Zusammenarbeit vieler erfahrener und dem Neubauprojekt wohlgesonnener Fachleute bedarf, um den Neubau gelingen zu lassen.

Jetzt kommt der Moment, an dem Ulrich Marold die Öffnung des Pentagondodekaeders mit dem letzten Fünfeck verschließt. Die Naht wird langsam und äußerst sorgfältig verlötet. Ein andächtiger Moment.

Schließlich wird der Grundstein in die Aussparung gelegt. Die Kindergartenkinder reihen sich noch einmal um die Aussparung im Fundament und nehmen das Bild mit dem kupfernen Dodekaeder in sich auf. Danach verschließt Hochbauer Kähler die Aussparung mit einer glänzenden Metallplatte. Auf ihr steht: „Grundsteinlegung Waldorfkindergarten Freitag, den 13.03.2020“.

Kinder, Eltern, Erzieher und Gäste verlassen das Fundament in Richtung Temmingscheune, wo sie ein Punsch von innen wärmen soll. Der Himmel gibt seinen Segen dazu – in genau diesem Augenblick regnet es für einen kurzen Augenblick ein paar letzte dicke Tropfen.

Nun ruht die Arbeit am Bau für ca. sechs bis acht Wochen. Anfang Mai bereits soll an dieser Stelle das Holzständerwerk des neuen Kindergarten-Gebäudes stehen.

Jürgen Beckmerhagen