Medienkompetenz und Bilder

Der Tagesspiegel vom 8.2.2019 (Screenshot J. Beckmerhagen)

Stellen Sie sich vor, Ihre Tochter oder Ihr Sohn hätte erstmals daheim ein großes Plakat mit der Aufschrift „There‘s No Planet B“ gemalt, um es am 8. Februar 2019 auf der Friday-For-Future-Demo in Berlin in die Luft zu halten. Der Tagesspiegel berichtet am selben Tag mit einem Bild, auf dem Ihr Kind zusammen mit unzähligen Jugendlichen und seinem Plakat in der ersten Reihe des Protestmarsches steht. Sie sind ein wenig stolz und fragen sich, ob Sie selbst genug tun, um die Treibhausgase zu reduzieren. Schließlich steht die Zukunft Ihrer Kinder und Enkel auf dem Spiel.

Facebook-Post mit gefälschtem Bild. Screenshot J. Beckmerhagen Quelle: https://www.facebook.com/Fehler-Im-System-1268653699945784/

Neun Wochen später – genauer gesagt, am 15. April – erhalten Sie von Freundinnen und Lehrkräften binnen weniger Minuten unzählige überwiegend höhnische, teils aber auch besorgte WhatsApp-Nachrichten und Emails mit einem Link zu einem der über 300 Facebook-Posts, die eben jenes Bild aus dem Tagesspiegel vom 8. Februar zeigen. Bevor Sie realisieren, was mit dem Bild nicht stimmt, sehen Sie die endlose Liste spöttischer Kommentare.

Fehler im System“ nennt sich eine dieser Facebook-Seiten, die das Bild mit Ihrem Sprössling und der Zeile „Ja, wer hätte das für möglich gehalten? “ veröffentlicht. Der „relevanteste“ Kommentar stammt von „Paula Skibbe“ und steht gleich an erster Stelle. Sie schreibt u.a.: „Somit ist bewiesen, das es den Gören nicht um das Klima geht, sondern um unterrichtsfreie Stunden […] Und die teilnehmenden Pädagogen dürfen sich anschließen!! Ist ja bezahlte – gut bezahlte – ARBEITSZEIT.“ Paula Skibbe, die sonst nur über vergewaltigte Mädchen und Tierquälereien schreibt und gerne AfD-Posts teilt, erhält hierfür zwei Daumen-hoch.

Dieser Facebook-Post von „Fehler im System“ erhielt bis 15. Juni 2019 allein 51 Kommentare, 29 (57 %) davon trugen ähnlich spöttische Züge wie der von Paula Skibbe, drei Kommentator*innen kritisierten die Rechtschreibung und 19 hielten das Bild für „Satire“ oder erkannten den „Fake“. Einen Tag später war der Post bereits 372 mal geteilt worden und das obwohl Facebook beim Teilen einen Hinweis zeigt, dass der Beitrag als „Fake-News“ klassifiziert wurde.

Was erregte die Gemüter? Auf dem Plakat, das Ihr Kind auf dem Bild in die Höhe hält, steht in großen, fetten Lettern „Während den Schulferien findet unsere Klimademo nicht statt.“ Bei genauem Hinschauen kann man schnell vermuten, dass das Bild mit Gimp oder Photoshop verändert wurde, denn das Licht und die Oberflächenstruktur des Plakats wirken irgendwie unnatürlich.

Facebook-Post mit gefälschtem Bild (Screenshot: CORRECTIV)

Etwas mehr Mühe mit dem Nachbearbeiten eines Fotos, das drei Jugendliche mit ihren Plakaten am Rande einer Friday-For-Future-Demo zeigt, hat sich ein Unbekannter gegeben, dessen gefälschtes Bild auch gleich von AfD-Politikern in den sozialen Netzwerken spöttisch kommentiert und verbreitet wurde. Das gemeinnützige Recherche-Netzwerk correctiv.org berichtete.

In der Kategorie „Faktencheck“ veröffentlicht das Recherche-Netzwerk Informationen zu scheinbaren Falschmeldungen in Form von Text und Bild – pro Woche prüft das Correctiv-Team ca. 40 Meldungen auf ihren Wahrheitsgehalt hin. Ein weiteres Fakten-Check-Team arbeitet für die Deutsche Presse Agentur (dpa-Faktencheck).

Falls Sie nicht warten wollen bis Correctiv oder dpa-Faktencheck ein Bild als „völlig unwahr“ oder „teilweise unwahr“ bewertet oder falls Sie den Faktencheckern nicht über den Weg trauen, können Sie selber mithilfe der Google-Bildersuche prüfen, ob das Bild so oder so ähnlich bereits in einem anderen Zusammenhang veröffentlicht wurde. Öffnen Sie hierzu auf dem Desktop im Browser die Seite „images.google.com“ und drücken Sie auf das Kamera-Symbol neben dem Feld für den Suchbegriff. Daraufhin werden Sie zur Eingabe der URL bzw. zum Hochladen des Bildes aufgefordert. Machen Sie einen Rechtsklick auf ein Bild im Web und kopieren die Bild-URL. Anschließend fügen Sie die URL in das Suchfeld ein (Strg+V oder Befehl+V).

Auf dem Smartphone oder Tablet können Sie zur rückwärtigen Bildersuche u.a. die App „Reverse Image Search“ verwenden. Diese nutzt nicht nur die Bildersuche von Google, sondern auch die von Bing (Microsoft) und Yandex (russische Suchmaschine).

Wenn gewählte Volksvertreter hin und wieder Opfer von Satire werden, kann ich darüber manchmal lachen. Wenn hingegen unsere Kinder verspottet und als „verblödet“ bezeichnet werden, weil ihnen angesichts wissenschaftlicher Fakten und der sich häufenden extremen Wetterereignisse sprichwörtlich das Wasser bis zum Hals steht und sie Volksvertreter auffordern, endlich zu handeln, dann hört der Spaß auf.

Gleichwohl spornen mich diese und ähnliche Fake-News an, Medienkompetenz zu vermitteln, damit wenigstens unsere Schülerinnen und Schüler lernen, wie man Falschnachrichten erkennt.

Jürgen Beckmerhagen

https://www.zdf.de/nachrichten/heute-plus/videos/facebook-gegen-falschnachrichten-100.html