Waldorflehrer-Ausbildung

Woher kommen eigentlich die Waldorflehrer und wie wird man Waldorflehrer? Diese Fragen stellen mir Eltern immer wieder und wollen dabei eigentlich wissen, ob unsere Lehrkräfte überhaupt „richtige“ Lehrer sind. „Richtig“ im Sinne von Lehrern an Regelschulen.

Waldorflehrer bedürfen der gleichen Unterrichtsgenehmigung vom Kieler Ministerium, wie jeder andere Lehrer an einer öffentlichen Schule in unserem Land auch. Zuvor absolvieren sie entweder ein grundständiges Waldorflehrer-Studium an einer der drei staatlich anerkannten Hochschulen in Witten, Stuttgart oder Mannheim oder ein post-graduales Studium an einer der Hochschulen bzw. an einem der Seminare in Berlin, Kiel oder Hamburg. Aufnahmebedingung für das grundständige Studium ist die Allgemeine Hochschulreife oder ein vergleichbarer Bildungsstand. Die Voraussetzung für ein post-graduales Studium ist ein abgeschlossenes Hochschulstudium in mindestens einem unterrichtsrelevanten Schulfach. Nur für Schneidern bzw. Textiles Gestalten und Gartenbau reicht eine entsprechende Berufsausbildung mit Meister.

Jährlich werden ca. 600 neue Lehrer benötigt.

Die Hochschulen und ihre Seminare werden in erster Linie durch den Bund der Freien Waldorfschulen (BdFWS) finanziert. Jede Waldorfschule zahlt jährlich pro Schüler einen Beitrag an den BdFWS, von dem ca. 75 % in die Lehrer-Bildung fließen.

Daneben investieren verantwortungsbewusste Waldorfschulen in die Lehrerbildung in Form von Begleitung im Praxisjahr und von Einarbeitung im ersten Beschäftigungsjahr.

Die Meinungen darüber, ob das grundständige oder das post-graduale Studium besser ist und welche der so oder so ausgebildeten Lehrer den Waldorfschulen länger die Treue halten und sich als solide Stützen in den Waldorfschulen profilieren, gehen weit auseinander und sind nicht zuletzt davon abhängig, ob der Befragte aus dem Umkreis von Witten, Stuttgart, Mannheim oder aus dem Norden oder Osten der Republik kommt. 

Fest steht nur, dass der Bund der Freien Waldorfschulen für jeden grundständigen Studienplatz ca. € 85.000 bis € 100.000 aufwendet, während zu den gleichen Kosten mindestens fünf post-graduale Studienplätze eingerichtet werden können. 

Vor diesem finanziellen Hintergrund kommt uns Schulen in der Praxisbetreuung der Studenten und Studentinnen während und nach dem Studium eine besondere Verantwortung zu. Schließlich liegt es in unser aller Interesse, dass Absolventen einen guten Einstieg ins Lehrer-Berufsleben finden und nicht womöglich nach kurzer Zeit resignieren und einen anderen Berufsweg wählen.

Angesichts des steigenden Lehrerbedarfs von Regelschulen und von Waldorfschulen stellen sich Vertreter der Schulen im Bund der Freien Waldorfschulen seit einigen Jahren die Frage nach der optimalen und zukunftsweisenden Lehrerausbildung – optimal sowohl für den potentiellen Pädagogen als auch für die Schulen. Sollen weitere Seminare und neue post-graduale Studienplätze in strukturschwachen Regionen gegründet werden oder investiert man auch in Zukunft stärker in die grundständige Ausbildung?

Um diese Fragen drehte sich am vergangenen Dienstagabend im Hamburger Rudolf-Steiner-Haus die Versammlung von etwa 40 Vertretern der Waldorfschulen aus Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg, Niedersachsen und Bremen. Trotz des komplizierten Sachverhaltes ergab sich eine lebhafte Debatte mit Vertretern des Ausbildungs- und Finanzrates. Und diese Frage wird auch wieder die Mitgliederversammlung des BdFWS‘ Mitte März in Dortmund beschäftigen.

Unsere Schule wird sich an dieser Debatte beteiligen und sich auch weiterhin aktiv in die Lehrerbildung einbringen. Schließlich sind heute allein acht unserer Lehrkräfte über 60 und weitere drei über 55.

Jürgen Beckmerhagen